Der Tag, an dem ich nur noch eines wollte: Sterben.

Vor einem Jahr gab es einen Zeitpunkt, der mich bis heute noch erstarren lässt, wenn ich an ihn denke.

Ein Moment, in dem die Verzweiflung so unfassbar groß war, dass ich keinen Weg mehr wusste, den ich weiter entlang schreiten könne.

Ein Moment in dem ich fest davon überzeugt war, dass sogar meine eigene kleine Tochter ein besseres Leben hätte, wenn ich nicht mehr da wäre.

Ein Tag, der mich in vielerlei Hinsicht ins Mark traf.
Der Tag, an dem ich beschloss, dass ich gerne tot wäre. Sofort. Und nicht eine Sekunde lang ein schlechtes Gewissen hatte.

Ich hoffe sehr, dass Sie, liebe Leser noch nie in einer so schlimmen, aussichtslosen Situation waren, dass Sie sich gewünscht hätten, tot zu sein!

Und dennoch werde ich Ihr Verständnis für meine Lage wahrscheinlich mit diesem Text sehr ausreizen, denn bevor es mir so erging, konnte ich selbst keinen Menschen verstehen, der seinem Leben ein Ende setzen wollte.


Es war ein sehr regnerischer Tag. Ich kam von der Arbeit und hatte ein schlimmes Gespräch hinter mir, in dem mir deutlich gemacht wurde, dass ich durch meine Fehlzeiten (gesundheitlich bedingt) zu einer enormen Belastung für meine Kolleginnen geworden war.

Dass ich die Geduld meiner Vorgesetzten bereits bis zum äußersten gereizt hatte und ich mir keine Verspätungen oder Fehltage mehr erlauben könne.

Zu Hause angekommen warteten zwei Briefe auf mich:

Zum einen ein Mahnbescheid. Ich stand damals so tief in der Kreide, dass ich keine Idee mehr hatte, wie ich meine Rechnungen noch weiterhin bezahlen sollte.

Versicherungsbeiträge wurden generell zurück gegeben, mein Darlehen bei der Bank war schon seit zwei Monaten nicht mehr bedient worden.

Der andere Brief war eine Drohung des Krankenhauses, welches ich damals mit meiner Krankenversicherung auf Schmerzensgeld verklagte. Die Klage läuft übrigens immer noch und das leider sehr zäh.

Wenn ich die Klage nicht zurück nehmen würde, würde man mich wirtschaftlich gegen die Wand fahren…

Und dann erfuhr ich noch, dass man meiner Tochter im Kindergarten eine Depression attestiert hatte.

Das alles ließ mein Inneres wie ein Kartenhaus zusammenfallen.

Ich war leer. Unsagbar leer und mit einem mal gleichgültig.

Um genau zu sein, kann ich mich noch daran erinnern, dass ich mir hysterisch lachend eine Flasche Sekt öffnete, nachdem ich den Papa der Kleinen Maus zusammen mit ihr zu den Großeltern zum Essen schickte.

Und dann saß ich auf der Couch im Wohnzimmer und hörte mein Unterbewusstsein mir mir reden:

„Willst du, dass deine Tochter sich so eine Misere mal später zum Vorbild nimmt?“

Nein! Das wollte ich natürlich nicht!!!

Meine Tochter soll glücklich sein, soll solche Probleme gar nicht erst kennen lernen.

Und plötzlich stand ich im Flur vor dem Arzneikasten mit der Packung super starkem Schmerzmittel in der Hand, die ich nach der letzten OP mit nach Hause bekam.

Das nächste, was ich weiß, ist, dass ich am brechen war. Ich hatte die Wirkung von Sekt auf Schmerzmittel völlig unterschätzt.

Und genau das ist mein Glück, denn, wie ich im Krankenhaus erfuhr, hätte die Vergiftung mich einen langsamen und elenden Tot gekostet, wenn ich sie nicht wieder erbrochen hätte.

Als ich am nächsten Morgen ein Gespräch mit einer bekannten Psychiaterin und meiner Therapeutin hatte, konnte ich schon nicht mehr glauben, dass ich mich von solch äußeren Gegebenheiten wie Geldproblemen und Zukunftsangst so dermaßen fertig machen lassen habe.

Die zwei hatten ausnahmsweise SOFORT einen Platz in der Tagesklinik für mich, was  mir die Psychiatrie ersparte.

Mir kamen vor Dankbarkeit die Tränen, und dann weinte ich den ganzen Tag nur noch. Weil ich meiner Tochter beinahe die Mutter genommen hätte. Und wenn ich in die Augen von Püppilotta blicke, und die Liebe darin sehe, will ich gar nicht wissen, wie es ihr ergangen wäre, wenn ich tatsächlich an dem Tag gestorben wäre.

Unfassbar, wie egoistisch man sein kann, wenn so vieles über einen hinein bricht…


Um Sie aber jetzt nicht mit diesem Erlebnis alleine zu lassen, werde ich Ihnen schildern, was das ganze POSITIVES nach sich gezogen hat:

Durch den Aufenthalt in der Tagesklinik bin ich auf eine Akademie im Internet gestoßen, die sich mit mentalen Mustern aus der psychologischen Perspektive befasst.

Dort habe ich Deva als Übungspartner „zugeteilt“ bekommen. Der ja heute mein fester Partner ist:-) Eine himmlische Fügung.

Und ich war mit Püppilotta in der Reha, über die Sie ebenfalls im Familymag lesen können. Diese Zeit dort war unheimlich schön, wir haben tolle Menschen dort kennen gelernt und durften erfahren, dass es sehr, sehr viele Menschen gibt, denen es ähnlich ergeht wie mir.

Was habe ich gelernt?

Dass Geldsorgen nicht das Ende eines Lebens sind.

Und dass man Hilfe bekommt, wenn man sie nur anfordert und bereit ist sie zu empfangen.

Und dass man sich ziemlich viel von der Seele schreiben kann:) Denn den Text für diesen Beitrag habe ich schon lange in meinem Kopf, nun wollte er endlich heraus.

Ich hoffe, ein wenig Einblick in das Innerste eines sich hilflos fühlenden Menschen geben zu können. Und darauf aufmerksam zu machen, dass es einfach JEDEN treffen kann. Auch die fleißige Bloggerin, die immer mit viel Liebe und Herzblut schreibt.

Liebe Grüße

Mira

Foto: Christian heinze / pixelio.de

 

6 Comments

  1. Limalisoy

    18. September 2015 at 18:00

    Liebe Mira,

    ich weiß leider nur zu genau, wovon du schreibst! Und auch ich kann sagen, dass all das Elend, das man in sich spürt und die Menschen derart fertig macht, dass sie zu solch einer Reaktion neigen, immer auch eine positive Seite hat. Nämlich dann, wenn man dieses Tal der Tränen hinter sich gelassen hat und für sich die richtigen Schlüsse daraus ziehen kann.
    Ich bin sehr froh, dass es für dich nun aufwärts geht und dass ich den lieben, engagierten und scheinbar unglaublich energievollen Menschen persönlich kennenlernen durfte, der sich damals hinter einer Fassade versteckt hat. Die neuen Wege, die sich dadurch eröffneten Möglichkeiten und dein ebenso engagierter Deva geben dir hoffentlich noch ganz lange den Glauben an das Gute und somit ganz viel Kraft gegen die schwarze Klaue, die jeden Menschen irgendwann einmal in seinen Griff bekommen kann.
    Alles Liebe und bis bald,
    Yvonne

  2. Nadine

    18. September 2015 at 19:49

    Liebe Mira,
    vielen lieben Dank für diesen ehrlichen und tiefen Einblick den du mir gewährt hast.
    Erst floss eine Träne der Trauer für das was du erlitten hast, doch dann eine Träne der Freude da du eine starke und mutige Frau bist die ihren Weg geht.
    Liebe Grüße Nadine

  3. Jil

    18. September 2015 at 20:02

    Mira, schön, dass du so offen schreibst und der Bloggergesellschaft ein Stück Realität einhauchst. Der Inhalt und Anlass für deinen Post finde ich wirklich tragisch und es ist erfreulich zu lesen, dass es dir jetzt besser zu gehen scheint. Du hast sicher Strategien gefunden um mit solchen Situationen anders umgehen zu können. Ich wünsche dir alles Gute!

  4. Kerstin Marchiewski

    18. September 2015 at 20:45

    -Kerstin Marchiewski Facebook-
    Ich bin tief beeindruckt von soviel Einblick in dein Leben. Und ich finde es wunderbar, wie du versuchst dein Leben in den Griff zu bekommen und dich neugierig an neue Projekte heran wagst!
    Du hast absolut recht, es kann JEDEN treffen! Ich war auch vor vielen Jahren völlig ausgebrannt – doch das war – ähnlich wie bei dir – der Zeitpunkt das Leben zu überdenken und neu auszurichten.
    …und wenn auch noch so abgenudelt, mein Leitspruch bleibt : EVERTHING HAPPENS FOR A REASON !

  5. Kerstin

    19. September 2015 at 10:40

    Mira,
    Deine Worte machen mich betroffen. Es ist so traurig, dass uns äußere Umstände manchmal so sehr vereinnahmen, dass wir den Kontakt zu uns selbst verlieren und wir vergessen, was uns gut tut. Ich wünsche Dir so viel Lebensmut, damit das nicht noch einmal passiert. Und Danke für Deine ehrlichen Worte. Damit hilfst Du anderen, die Lebensfreude in sich zu bewahren.

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