Buchrezension: „Das Lied der toten Mädchen“, von Linus Geschke (Krimi)
Ein packender vornehmlich im Sauerland spielender Krimi mit vielen Wendungen und gut beschriebenen Charakteren.
Zum Inhalt:
Es ist ein Fall, der für die Rubrik Ungelöste Kriminalfälle wie geschaffen scheint: Im Herbst 1997 wurde die Leiche der 19-jährigen Sonja Risse auf dem Wilzenberg im Sauerland gefunden. Sie starb durch einen Stich ins Herz, war nur mit einem dünnen roten Kleid bekleidet, und alles, was der Mörder zurückließ, war eineSpieluhr
Herbst 1997: Sie ging alleine auf den Wilzenberg. Nachts. Dort traf sie auf ihren Mörder – und alles, was der Täter zurückließ, war eine Spieluhr, die „Hush, little baby“ spielte.
Doch schon bei seinem ersten Besuch im Heimatort des Mädchens stößt der Kölner Journalist Jan Römer mit seiner Kollegin Stefanie „Mütze“ Schneider auf Ungereimtheiten.
Warum wird Sonjas Charakter von Zeitzeugen vollkommen unterschiedlich beschrieben? Was verbirgt ihre Mutter? Und warum will niemand über das geheimnisvolle Haus am Fuße des Berges reden, in dem Sonja gekellnert hat und das kurz nach ihrem Tod abgerissen wurde?
Als die beiden Journalisten endlich glauben, der Lösung näherzukommen, wird wieder eine Frau ermordet. Erneut lässt der Täter eine Spieluhr zurück. Jan Römer und Stefanie Schneider erkennen, dass die Vergangenheit nicht tot ist – am Wilzenberg ist sie noch nicht einmal vergangen, und die Geschehnisse um sie herum steuern unaufhaltsam auf eine Katastrophe zu.
Auszüge:
Kurz vor der Ausfahrt Lengerich setzte er den Blinker und schaltete das Radio aus, um sich auf die vor ihm liegende Aufgabe zu konzentrieren. Auf das Zusammentreffen mit dem Mann, der alles ausgelöst hatte. Zwanzig Jahre lag das jetzt zurück, und es waren Jahres gewesen, in denen die Welt sich einfach weitergedreht hatte. Regierungen waren gekommen und gegangen, Kriege waren begonnen und wieder beendet worden. Milliarden Menschen hatten das Licht der Welt erblickt, Milliarden andere sie wieder verlassen. Angesichts dieser Vorstellung mochte das Leben eines Einzelnen nicht viel bedeuten, nicht für die Welt.
Für ihn schon.
…
„Römer hier, Jan Römer“, sagte er. „Ich hoffe, es geht Ihnen gut? Ich wollte nur kurz fragen, ob …“
„Ich habe Ihnen nichts zu sagen“, unterbrach sie ihn mit tonloser Stimme.
Irritiert hielt er inne. Er hatte nicht mit einer begeisterten Begrüßung gerechnet, so wie sie in die Mangel genommen hatte. Aber die Frau am anderen Ende klangvollkommen anders. Aber die Frau am anderen Ende klang vollkommen anders als jene Rebecca Kaiser, die er in Berlin kennengelernt hatte. Desinteressiert und abwesend.
„Es tut mir leid, wenn ich Sie gerade störe“, fuhr er fort. „Es dauert auch nicht …“
„Auf Wiederhören, Herr Römer“, unterbrach sie ihn erneut. „Belästigen Sie mich bitte nicht mehr!“
Dann hängte sie ein, ohne eine Antwort abzuwarten. „Glückwunsch“, sagte „Mütze grinsend, die seinen verblüfften Geschichtsausdruck wohl richtig interpretierte.
„Im Moment hast du echt ein Händchen für Frauen.“
„Sarkasmus ist genau das, was ich jetzt brauche!“.
„Eine meiner Schwächen“, flüsterte sie, als beichte sie, …
…
Arslan schien von all dem nichts mitzubekommen. Er hob den Kopf und nickte, dann senkte er den Blick wieder auf den Bildschirm. „Ich bin Arslan“, sagte er, als wenn dies als Erklärung reichen musste.
„Arslan ist Profiboxer“, krakeelte Lukas. „Ist das nicht toll, Mama? Er verdient ganz viel Geld, weil er andere Männer zusammenschlagen kann!“
Auch Sarah kannte Arslan bislang noch nicht, und wenn Jan ihren Blick richtig deutete, konnte sie auch gut auf dessen Bekanntschaft verzichten. Sie nickte ihm mit zusammengekniffenen Lippen zu und wandte sich dann an Lukas: „Beeil dich, mein Schatz. Wir stehen draußen im Parkverbot und sonst ein Knöllchen.“
„Keine Sorge, Mama – Arslan regelt das dann schon! Stimmt doch, Arslan, oder?“
„Aber klar, Sportsfreund!“ Arslan legte den Controller aus der Hand. „Du weißt doch: Wenn dir oder Jan irgendwer Probleme macht, kümmere ich mich darum. Meistens sind die Probleme dann dauerhaft erledigt.“
Fazit
Ein spannender Krimi ganz nach meinem Geschmack. Ich habe ihn in einem Rutsch durchgelesen und kann allen Krimifans dieses Buch nur ans Herz legen.
Über den Autor:
Der 1970 geborene Linus Geschke arbeitet als freier Journalist für führende deutsche Magazine und Tageszeitungen, darunter Spiegel online und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Mit seinen Reisereportagen hat der gebürtige Kölner bereits mehrere Journalistenpreise gewonnen.
https://www.facebook.com/linusgeschke.de
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