An die Mama, die gerade ihren Mann verloren hat
Liebe M.,
dieser Brief an dich schwirrt schon seit einigen Tagen in meinem Kopf, und bisher habe ich es einfach nicht fertig gebracht, ihn dir persönlich zu schreiben.
Denn ich habe Angst vor deiner Reaktion.
Du könntest dich auf den Fuß getreten fühlen. Du könntest das Gefühl bekommen, dass ich mich da einmische, wo ich einfach nichts zu suchen habe… Und irgendwie stimmt das ja auch.
Aber da mir etwas sehr, sehr ähnliches vor ein paar Jahren passiert ist, möchte ich meine Erfahrungen an dich weitergeben. Und so kannst nun selbst entscheiden, ob und wann du bereit bist, das zu lesen.
Vor sieben Jahren war ich sehr glücklich verliebt. Ich plante meine Hochzeit und habe bis heute das Brautkleid im Schrank hängen, welches nie zum Einsatz kam.
Denn zu dieser Hochzeit kam es nie. Sechs Monate vor dem Termin nahm sich mein damaliger Partner das Leben.
Von jetzt auf gleich war mein Leben vorbei. Jedenfalls in dem Moment.
Von jetzt auf gleich blieb für mich die Welt stehen.
Von jetzt auf gleich zerbrach mein Herz in tausend Stücke und zerfetzte meinen Bauch. Jedenfalls fühlte es sich so an.
Mir blieb der Atem stocken. Und Einatmen war eine Kraftanstrengung, die kaum zu bewältigen war…
Von jetzt auf gleich war mein bester Freund weg. Mein Gefährte, mein damaliger Grund, morgens aufzustehen.
Ich dachte, dass die ganze Welt ein riesen Arschloch ist. Das Universum (oder Gott), weil es mir meinen Liebsten nahm. Und der Rest der Welt, weil die Welt sich einfach weiter drehte.
Das das tatsächlich passierte, merkte ich daran, dass es meine Vermieter nicht interessierte, dass ich gerade mental tot war. Dass mein Arbeitgeber trotzdem Zahlen sehen wollte. Dass mein Kühlschrank leer wurde und dass die Wäsche sich stapelte.
Mitwirken an diesem Weiterdrehen konnte nur ich nicht. Denn das fühlte sich so dermaßen falsch an…
Ich wollte die Zeit zurückdrehen und noch einmal mein bestes geben um diesen Albtraum zu verhindern. Ich wollte endlich aufwachen und feststellen, dass alles nur ein böser Traum war…
Und ich wollte einfach nur dorthin, wo mein Liebster nun war. Egal mit welchen Mitteln…
Ich hatte damals noch keine Kinder. Das machte alles für mich einfacher. Oder schwerer? Bleibt man mit Kindern leichter selbst am Leben? Das weiß ich nicht. Ich wünsche mir für dich, dass du die Kraft findest, für deine Kinder und dich weiter zu LEBEN.
Wahrscheinlich fragst du dich bis an den letzten Tag in deinem Leben, warum dir dieses miese Spiel angetan wurde. Wahrscheinlich wirst du es bis ans Ende deines Lebens nicht erfahren.
Und so unglaublich es klingt: An den Schmerz, der dich jetzt erfüllt, wird mehr oder weniger bald Dankbarkeit treten für die Zeit, die du mit deinem Mann hattest. Irgendwann wird dein Herz wieder zu einem einzelnen Stück zusammenwachsen.
Und mitten drin für immer und ewig: Dein Mann, der ab jetzt von der anderen Seite der Welt auf seine Liebsten aufpasst.
Du wirst ihn nie vergessen. Und du wirst ihn immer lieben. Nur der Schmerz wird nachlassen. So unglaublich es klingt.
Und dann, wenn du den Schmerz schon fast nicht mehr kennst, kommt er manchmal als ungebetener Gast mir voller Wucht zu einer Stippvisite. Aber nur kurz. Er will sich nur gerne in Erinnerung rufen.
Ich bin inzwischen sehr glücklich in einer Beziehung und denke trotzdem oft an meinen damaligen Herzmann zurück. Er ist genau wie eine Hand voll anderer Menschen für immer und ewig in meinem Herz. Und passt von da oben aus auf mich auf. Und auf meine süße Tochter. Manchmal redet er in meinen Träumen zu mir und warnt mich vor falschen Entscheidungen.
Oder er lächelt mich nur an. Dann weiß ich, dass er dort, wo er jetzt ist sicher, nahe und glücklich ist. Und bin beruhigt.
Ich wünsche dir, dass du gut aufgefangen und gehalten wirst. Dass du weiterleben kannst und es dir auch erlaubst.
Und dass du bald wieder lachen kannst. Denn das darfst du, und immer wenn du lachst, lacht er in deinem Herzen mit.
Fühl dich umarmt:-*
Deine Mira
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