Ein Abschied zu viel für einen Tag
Ihr Lieben,
heute melde ich mich mal wieder zu Wort, ein wenig zerdeppert, ein wenig erschöpft, ein wenig traurig.
Um genau zu sein so traurig, dass mir beim Schreiben eine Träne die Backe herunter rinnt…
Gestern war wieder einer „dieser“ Tage.
Einer der Tage, an denen ich mir wünschte, ein gänzlich neues Leben geschenkt zu bekommen.
Ein Leben ohne Diskrepanz, ohne Distanz, ohne Disharmonien.
Unser Abreise Tag aus dem Chiemseeurlaub war angetreten und wir wollten auf dem Rückweg nach Münster einen Schlenker über Füssen fahren, damit ich (vermutlich das letzte mal…) meinen Opa im Seniorenheim dort besuchen kann.
Er ist der Mensch, den ich neben meiner Mutter am meisten seit Kindheitstagen liebe. Und er ist der Mensch, der mir immer wieder Geborgenheit und Sicherheit zusammen mit Liebe schenkte.
Heute ist er leider in einem sehr traurigen Zustand.
Kaum ansprechbar, in einer halb Liege- halb Sitzposition.
Der Mann, der immer wie ein General aufgetreten ist, der nie zu übersehen war und immer bekam, was er wollte, ist nun klein, zerbrechlich, zart und hilfsbedürftig geworden.
Als ich ihn im Aufenthaltsraum in seinem Roll-Liegestuhl liegen sah, kamen mir die Tränen.
Was ist aus „dem Altern Fritz“ geworden?
Wo ist mein fröhlicher, energischer, wanderlustiger Opa hin???
Etwa 90 Minuten saß ich bei ihm.
in den 90 Minuten weinte ich viel, streichelte seinen Arm (er hat früher immer meinen Rücken bei den Nachrichten gekrault. Nachrichten fand ich prima^^). Erzählte aus unserer gemeinsamen Zeit.
Und weinte dann wieder.
Einige wenige Sekunden lang sah er mich zwischendurch glasklar an, und da war er wieder:
Mein Opa Fritz:-)
Dann jedoch sackte er wieder in sich zusammen, schloss die Augen und war abwesend.
Heftig. Wenn man einen geliebten Menschen so sieht, und spürt, wie er zu einem Baby wird. Das gefüttert und umsorgt werden muss. Genau wie ich als Neugeborenes,welches er auf der Babystation im Brutkasten besuchte…
Nach einem Abschied, der schwer im Magen lag, da es vermutlich der letzte sein würde, fuhren wir weiter.
Und machten einen weiteren Schwenker:
Diesmal über Bingen, wo wir den Papa von Püppilotta trafen, um (klingt genau so makaber wie es sich anfühlte!) die „Kindsübergabe“ zu machen.
Der Papa kam 150 km von Trier aus, wir fuhren 300 km Umweg. Sehr nervig für beide Seiten!!!
Unsere Fahrt wurde durch fünf Staus gebremst. FÜNF verdammte, blöde Staus.
Lauter Baustellen (spinnen die denn eigentlich??!).
Und dann ein Navi, dass so undeutliche Ansagen gibt, dass wir die Ausfahrt zum Verabredungspunkt zwei mal verpassten.
Püppilotta nahm die Fahrt sehr gelassen hin und sang „Heidi“, bis wir an der verabredeten Stelle waren.
Als sie ihren Papa sah, strahlte sie sehr!
Und das machte mich leicht „schizophren“: Einerseits weiß ich, dass es ihr wirklich gut geht, dass sie gerne bei ihrem „Papsi“ ist und dass er sich auch freut.
Andererseits fange ich gleich an zu zweifeln, ob ich eine gute Mutter bin, wenn mein Kind nicht weint, wenn wir uns für eine Woche trennen.
Und die Trauer überwältigte mich so sehr, dass ich fast die gesamte Weiterfahrt nach Münster meinte, brechen zu müssen.
Mir war schwindelig. Übel. Und die Tränen liefen ununterbrochen.
Mein Baby.
Mein Opa.
Mein geliebtes, kleines Kind!!!
Und dann kamen die sonstigen Sorgen dazu und stimmten in den Chor ein:
Das Geld!!! (…Welches?^^)
Die alte Wohnung, die Klage gegen das Krankenhaus, der Streit mit ZWEI Stromanbietern (…).
Aber neben mir saß ja ein Therapeut.
-„Atme!“
Aber wie geht denn das, wenn man keinen Bruskorb mehr spürt? An dessen Stelle war ein bleierner Kloß gerutscht.
Als ich wieder einmal einen Rückblick wagte (Narkoseunfall, die Folgen davon, die Zeit mit den Streitereien, die das Jugendamt ins Haus brachten, weitere OPs wegen der „Scheiß-OP“, Geldsorgen, Geldsorgen und noch mehr Geldsorgen… Die Klage gegen das Krankenhaus, der Psychoterror von der Verwaltung des Krankenhauses, die Reha, die Therapien…), stellte ich mal wieder fest:
Wahnsinn. Wahnsinn, dass ich trotz allem hier sitze und noch lebe. Dass ich dennoch gerade so viele Sachen schaffe. Dass das Leben trotz all dieser wirklichen Riesenkacke weitergeht.
Und da darf man in der Tat weinen.
Das Leben ist eine Achterbahn, und morgen fängt meine Yogalehrerausbildung an:-)
Also: Es geht bergauf!
Liebe Grüße, diesmal mit einem Lächeln:)
Eure Mira
Deva
5. September 2015 at 14:38Hallo Mira,
mir kommt da gerade ein Gedanke, warum Püppilotta nicht auch weint, wenn sie ihren Papa trifft und mit zu ihm fährt.
Hast Du Dir mal die Frage gestellt, wie es Dir gehen würde, wenn sie weinen würde?
Ich vermute, dass sie aus dem Grund Dich zu „schützen“ nicht weint. Womit nicht nicht sage, dass sie sich nicht auch freut
ihren Papa zu sehen und ihre Oma und ihren Opa.