Erziehung – Mein Kleiner bringt mich auf die Palme *g
Liebe Eltern,
vor kurzem erhielten wir die Nachricht einer Mutter, deren Sohn einfach nicht hören will, mit der Bitte um Rat. Ihr dreijähriger Sohn bringt sie immer wieder auf die Palme. Anscheinend will dieser mit „auf Teufel komm raus“ seine Grenzen testen.
Er hat einen drei Jahre älteren Bruder, der sehr eifersüchtig seinem kleinen Bruder gegenüber ist. Dabei ist dieser seinem kleinen Bruder gegenüber gerade im sprachlichen Bereich sehr weit voraus, unter anderem weil dieser eine Störung der Mundmotorik hatte und aus diesem Grund Physio- und logopädische Therapie erhält.
Hier ein Beispiel seines Verhaltens: Der dreijährige schmeißt Stifte auf den Boden und seine fordert seine Mutter auf diese aufräumen. Diese fordert ihn freundlich auf diese aufzuheben und bietet ihre Hilfe an. Doch ihr Kleiner bleibt einfach auf dem Boden sitzen und weigert sich. Selbst nachdem die Mutter nachdrücklicher wir, weigert dieser sich. Daraufhin wird seine Mutter laut, worauf der Kleine seine Stifte durch die Gegend wirft.
Wenn diese ihm dann droht, dass er nicht mit ihr und seinem älteren Bruder malen kann, wirft er weiter Sachen und schreit und haut. Dies macht die Mutter wütend und sie bringt ihn in sein Zimmer.
In stört es jedoch nicht und er verlässt sein Zimmer wieder, was sie noch wütender macht, woraufhin er zu weinen beginnt. Ihr kommt es so vor, als ob sie dauernd auf ihn einredet, motzt, droht und zu verhandeln versucht, was sie als sehr anstrengend empfindet. Z
udem teilt sie mit, dass ihr Mann sich leider wenig an der Erziehung beteiligt und sich eher als Kumpel seiner beiden Söhne sieht. Sie fragt sich, wie sie den Kleinen dazu bringt, kooperativer zu sein und bittet um Rat, was sie besser machen kann.
Nachfolgend findet ihr die Antwort von Deva:
Das kann wohl jeder der selber Kinder hat, sehr gut nachvollziehen. Die Hilflosigkeit, an die uns unsere kleinen so geliebten Drachen bringen, ist mit dass schlimmste und am schwersten auszuhaltende Gefühl. Wenn Kinder (oder auch Erwachsene) so reagieren, ist es immer auch „ein Schrei nach Liebe“ bzw. Aufmerksamkeit.
Du schreibst, sein großer Bruder ist „hochbegabt“, dann ist es natürlich schwer für den Kleinen auf diesem Gebiet Lob und Anerkennung zu erhalten. Und besser als keine Anerkennung ist „negative“ Anerkennung bzw. Aufmerksamkeit. Schau mal, wo Du deinen kleineren Sohn in seinem Tun oder Sein loben und bestärken kannst, ohne dass er es auf dem Weg durch „bockiges Verhalten“ einfordern muss.
Er wird es Dir durch liebevolleres (kooperativeres) Verhalten danken. Wie ich in deine „Anfrage“ richtig verstehe, magst Du es selber nicht, so viel an ihm herumzukritisieren und drohen zu müssen. Ich möchte Dir dazu vor allem sagen: Mache Dir bewusst, dass Du so wie alle Eltern (und Kinder) jederzeit dein Bestes gibst!!!
Wenn ich mir deine Schilderung vor meinem inneren Auge vorstelle, gewinne ich den Eindruck, als ob dein Sohn nach Grenzen sucht bzw. schreit. Verstärkt wird dieser Eindruck durch deinen Hinweis, dass dein Mann bzw. sein Vater sich mit dem Grenzen setzen eher zurückhält.
Uns Menschen, insbesondere Eltern fällt es generell schwer anderen Grenzen zu setzen. Wir denken dann schnell wir beschränken unsere Kinder in ihrer Freiheit und das mögen wir bei uns selber ja auch nicht. Dabei brauchen Kinder genauso Grenzen wie wir Erwachsenen auch. Sie wachsen 9 Monate in einem relativ kleinen Raum auf. Dieser schenkt ihnen Sicherheit und Geborgenheit. D
iese suchen sie später in ihrem Kinderbettchen, welches wir häufig mit Kissen verkleinern. Später suchen Kinder immer wieder Grenzen, dies sie brauchen, um zu wissen, wie weit sie „gehen können“, bevor es kritisch wird. Erst danach können sie sich entspannen, auch wenn es vorab noch kleinere oder größere Wutausbrüche gibt, die Du ja anscheinend zur Genüge kennst.
Es liegt an uns Eltern unseren Kindern u.a. durchs Grenzen setzen unsere Welt und wie man sich in ihr verhält zu zeigen. Und wenn wir es ab und zu selbst gegen den Willen unserer Kinder machen, machen wir es dennoch aus Liebe.
Damit sie sich hier gut zurechtfinden und glücklich werden. Nachfolgend werde ich Dir einige Alternativen vorstellen. Frage Dich doch mal, was für ein Gefühl löst sein Verhalten bei Dir aus?
Macht es Dich nur wütend oder auch traurig und/oder hilflos? Sag es ihm, wenn möglich mit fester und ruhiger Stimme und auch was Du Dir von ihm wünschst. Und wenn Du zudem die Nase voll hast von seinem Verhalten, dann sage es ihm auch und gehe und mache das, was Du gerade machen möchtest (aber bitte in dem Rahmen, in dem Du deine“ Aufsichtspflicht/-wunsch“ weiter erfüllen kannst).
Unsere Intuition ist unser bester Berater, viel besser als jeder andere. Denn es sind unsere Kinder und so ähnlich die Situationen auch sind, so unterschiedlich sind die Erfahrungen unserer Kinder und das was sie von uns Eltern mitgenommen bzw. bekommen haben.
Du sagst, Du bist schon sehr kooperativ, doch anscheinend sieht es dein kleiner Tyrann etwas anders. Ich kann mir vorstellen, dass deine Unzufriedenheit, allein gelassen zu werden in der „Erziehung“ bzw. dem Grenzen setzen, von deinem Kleinen wahrgenommen wird und er dies durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt. („Wir können uns auch in einer Partnerschaft und Ehe als „Alleinerziehend fühlen“)
In den meisten Fällen regen wir uns über andere Dinge auf, als wir denken. Möglicherweise bist Du zurzeit aber auch noch von etwas anderem enttäuscht oder auf etwas anderes wütend. Und dein Kleiner bringt das Fass nur zum Überlaufen. Vielleicht fühlst Du Dich zurzeit auch überfordert und deine „Toleranzgrenze“ ist dadurch geschrumpft und Du reagierst so schneller und häufiger gereizt auf die „Grenzsetzungsbitten“ deines Sohnes?
Falls dies so ist, prüfe in Ruhe, ob und wo es Möglichkeiten für Dich zu entspannen oder für Auszeiten gibt. Denn nur wenn wir entspannt sind, können wir auch entspannt und gelassen auf das „störende Verhalten“ unserer Kinder reagieren. Ab und zu wäre es bestimmt auch entspannend sich die Frage zu stellen, „Is this drama really necessary?“.
Es ist in der Erziehung wichtig, konsequent zu sein, damit unsere Kinder auch darin unsere Grenzen erkennen können. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Wenn es sich für uns in einem Moment nicht gut anfühlt, sollten wir getrost anders und entspannter reagieren.
Denn wenn es uns nicht gut geht, wird es auch unseren Liebsten (Kindern und Partnern) sehr schnell schlechter gehen 😉 Wir sollten unseren Kindern nicht immer, vor allem wenn sie noch klein sind, unser Verhalten begründen und vor allem nicht mit ihnen diskutieren.
Dieser Versuchung erlegen wir schnell, denn wir haben die Sorge, dass unsere Kleinen uns nicht mehr lieb haben könnten, wenn wir sie ab und an mal „zurechtweisen“ oder etwas ausschlagen. Dabei Vertrauen unsere Kinder uns und spüren, wenn wir ihnen aus Liebe „Grenzen setzen“ und nicht aus „Böswilligkeit“, auch wenn sie erstmal verstimmt reagieren.
Ich wünsche Dir Mut, Dir mehr Zeit für Dich zu nehmen, Unterstützung durch deine Familie und Vertrauen, dass Du es gut machst. Vielleicht kennt ihr solch ein Verhalten ja auch und findet Hilfestellung in meiner Antwort. Hier findet Ihr meinen Beitrag „Kinder brauchen Grenzen – Wir auch„. Ansonsten freuen wir uns immer über Problemstellungen und Anregungen von euch.
Mehr dazu, eure Kinder bindungsorientiert und liebevoll in die Selbstständigkeit zu begleiten, findet ihr in unserem Buch „Glückliche Kinder brauchen entspannte Eltern“ welches im Humboldt-Verlag erschienen ist.
Liebe Grüße Deva (Familientherapeut, Trainer für Gewaltfreie Kommunikation, Persönlichkeitsentwickler)
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