Die siebenjährige mit Magersucht. Ein Kind wird krank, um ihre Mama mehr zu sehen
Hallo Ihr Lieben,
heute möchte ich Euch von meinem Schlüsselerlebnis in der Klinik für Essstörungen berichten, in der ich vor heute zehn Jahren war.
Damals hatte ich eine Sportbulimie, HIER könnt ihr mehr dazu lesen.
An meinem dritten Tag in der Klinik kam eine neue Patientin an. Eine sehr außergewöhnliche Mitpatientin, denn das Mädchen war damals sieben Jahre alt (!).
Ich war im ersten Moment schockiert, fassungslos und voller Tränen, denn ein zartes, so unfassbar junges Mädchen so sehr leiden zu sehen, das war einfach wirklich schlimm. Ihre Mutter war ja auch nur fünf Jahre älter wie ich, und war natürlich mit der Maus bei uns aufgenommen.
Das Mädchen hatte wahnsinnige Schmerzen dabei, einen Joghurt zu essen. Sie weinte bei den Mahlzeiten nicht aus Trotz, wie so viele immer denken, wenn sie an Magersüchtige denken, sie weinte, weil ihr Körper sich bereits massiv gegen das Essen in ihrem Bauch wehrte.
Ich nehme jetzt mal das Ende vorweg: Es ist alles gut, inzwischen lebt sie gesund. Sie hat die Kurve nach einem Jahr gekratzt.
Meine Überlegungen damals kreisten darum, warum ich diese Krankheit brauchte.
Und so makaber es klingt, die Kleine Maus half mir beim verstehen. Sie erzählte in der Gruppentherapie (ja, wir waren in der Tat Erwachsene und Kinder in einer wöchentlichen Gruppe, das war sogar sehr gut), was sie in diese Krankheit getrieben hatte.
Es waren keine kaltherzigen Eltern. Kein sexueller Missbrauch. Sondern eine Klassenlehrerin, die sich ständig negativ über moppelige Mitschülerinnen lustig machte.
Und sie Siebenjährige wollte einfach nur PERFEKT SEIN.
Perfekt und: GELIEBT. Denn neben der Lehrerin, die in meinen Augen aus dem Lehrerberuf genommen werden MUSS, gab es noch einen weiteren Faktor des Aufschreiens:
Ihre Eltern mussten beide arbeiten, um die Miete zu bezahlen, was zur Folge hatte, dass sie die Nachmittage immer allein war. Bitte, versteht, dass ich den Eltern keinen Vorwurf mache. Sie hatten mit zwei Gehältern gerade so viel, dass nach Abzügen von Miete, Versicherungen etc. kaum was zum Leben blieb.
Deswegen rackerten sie sich beide ab, um ihrem Kind Kleidung, Kino und Schulsachen geben zu können.
… Die Folge war, ich versuche es mal zu formulieren: Die Abwesenheit von Liebe.
Das Mädchen merkte aber schnell, dass ihre Mama zu Hause bleiben „durfte“, wenn das Kind krank ist.
Und je dünner sie wurde, desto mehr war Mama daheim.
Ist das nicht total abstrus?
Ich bin heute noch fassungslos darüber, wie es in Familien, die voller Liebe sind, schief laufen kann, weil eine Familie einfach nur existieren möchte…
Die Mama hat letztlich ihren Job gekündigt. Sie zogen in eine Wohnung ohne Kinderzimmer, was jedoch der Tochter total egal war, sie liebte es, ihre Mama nach der Schule um sich zu haben.
Ich werde in naher Zukunft versuchen, die Mutter und das Mädchen zu kontaktieren, denn hier wäre eine Sichtweise der Mutter sicher auch sehr interessant.
Hier geht es übrigens zum Beitrag von Deva, zum Thema „Kinder suchen Aufmerksamkeit“:
Erziehung – Schenken wir unseren Kindern Aufmerksamkeit, bevor sie sie einfordern.
Herzliche Grüße, Ihr Lieben!
Eure Mira
Foto: Durch Tero Vesalainen / shutterstock
Leslie Baptist
7. September 2017 at 21:51Genau solche Geschichten fördere ich immer wieder mit meinen Klienten zu Tage.
Es ist unglaublich, mit welche sturen Präzision und Logik das Unterbewusstsein Wege findet, um das zu holen, was nötig ist oft auch das zu schützen was schützenswert ist.
Hat man die Lösung gefunden, fällt es einem meist wie Schuppen von den Augen und man kann den falschen Glaubenssatz wieder korrigieren … auch weil das Verhalten in der aktuellen Lebenssituation und in der Zukunft nicht mehr hilfreich ist.