Größte Herzensqualen für die Mutter: „Mein Kind hungerte sich fast in den Tod“

Liebe Leser, ich hatte Euch im letzten Beitrag versprochen, die Mama von der damals Siebenjährigen zu kontaktieren.

Dies ist mir gelungen, (Soziale Plattformen sei Dank) und sie hat mir SOFORT am Telefon aus dieser schlimmen Zeit berichtet.

Hier fasse ich Euch unser Gespräch zusammen, es ist ein Gedächtnisprotokoll, wurde aber von ihr abgesegnet:

„Als Miri in die Schule kam, haben sich in unserem Leben einige Faktoren massiv geändert. Ich fing wieder an zu arbeiten, da das Geld von Matthias (der Ehemann, Vater von Miri) einfach nicht reichte, um ein Auto zu finanzieren. Und das Auto war wiederum notwendig, da der Schulbus nicht in unserem Viertel fuhr.

Es war sozusagen eine Zwickmühle, die wir aber zunächst nicht als besonders schlimm empfanden, weil ich mich auch ein wenig auf meine Kollegen freute, die zum Großteil noch in der Firma arbeiteten, in die ich nun nach sechs Jahren zurückkehren würde. Mein Chef war damals sehr loyal, er stellte mich direkt wieder mit meinem letzten Gehalt ein, obwohl ich viel Neues lernen musste. Aber durch ein paar Seminare am Wochenende würde ich das alles aber schnell verinnerlichen.

 

Die Lehrerin, die die erste Klasse unterrichtete war leider ganz und gar nicht die Art von Lehrerin, die ich meiner Tochter, die sehr sensibel ist, gewünscht hätte. Sie war kurz vor der Pension, nur noch zwei Jahre trennten sie von dieser von ihr Formulieren „Befreiung“. Sie war wenig konstruktiv, eingefahren in ihren altmodischen Prinzipien und sehr narzisstisch.

Auch, wenn Miri keine persönlichen Probleme mit ihr hatte, litt sie unter den Sticheleien, die die Lehrerin an Miris Freundinnen richtete, die etwas fülliger waren.

Sie weinte sogar oft zu Hause, weil besagte Freundinnen viel in der Schule weinen mussten.

Da sie sich aber ansonsten zunächst prächtig entwickelte und tolle Bewertungen bekam, sah ich das damals eher als Grund für die Eltern der anderen Kinder, sich zu wehren. Ich wollte, um ganz ehrlich zu sein, damals selber nicht zur Zielscheibe dieser Lehrerin werden, geschweige denn Miri in die Gefahr bringen, dies durch einen Kommentar meinerseits zu werden.

Miri musste die Nachmittage oft noch ein, zwei Stunden warten, bis Matthias oder ich nach Hause kamen.

Ein halbes Jahr lang sahen wir keinen Grund zur Besorgnis, dann jedoch wurde Miri immer wieder so müde nach der Schule, dass sie noch vor dem Abendessen im Bett lag.

Und noch etwas irritierte mich: Obwohl sie sehr viel gewachsen war, nahm sie vom Gewicht her ab.

Kurz nach den Osterferien musste ich dann das erste mal während der Arbeitszeit das Büro verlassen, da mich das Schulsekretariat anrief. Miri war zusammen geklappt, ihr Kreislauf machte schlapp.

Beim Kinderarzt wurde mir gesagt, das käme schon mal vor, wenn Mädchen so schnell so viel wachsen.

Aber keine Woche später spielte sich das gleiche Szenario ab, diesmal nur schon viel früher, noch in der zweiten Schulstunde.

Von da an kam es fast wöchentlich vor, dass ich Miri abholen musste. In den Sommerferien waren diese Symptome dann plötzlich wie weggefegt, wir genossen den Sommer sehr und hatten einen schönen Urlaub an der Nordsee.

Doch kaum begann das zweite Schuljahr, waren die Kreislaufprobleme wieder da.

Und Miri wurde immer dünner. Alles, was sie in den Sommerferien zugenommen hatte, war in zwei Monaten wieder von ihr abgefallen. Sie wurde sehr weinerlich, erschöpft und fing an, weder in der Schule, noch zu Hause mehr als zwei Äpfel am Tag zu essen.

Da war mir klar, dass sie in Gefahr war. Und mir war auch klar, dass Miri sich schlichtweg nach Zeit mir MIR sehnte, bzw. elterliche Fürsorge. Bis heute kann ich es mir nicht verzeihen, dass ich wegen dem Geld mein Kind so im Stich gelassen hatte.

Ich wechselte den Kinderarzt, da unser bisheriger immer noch meinte, dass ich zu viel in das Kind hinein interpretiere.

Der neue Arzt war sofort alarmiert und schickte uns ins Krankenhaus, wo Blutproben entnommen wurden.

Miri hatte so schlechte Blutwerte, dass sie stationär aufgenommen wurde. Ihr Kaliumwert war nicht nachweisbar mit den üblichen Tests, ihre Nährstoffe leergefegt.

Und trotz dieser Hiobsbotschaften, die mich tief schwer trafen, war ich in gewisser Weise „erleichtert“, da ich endlich ernst genommen wurde. Mein Bauchgefühl hatte mich nicht betrogen, Miri war in der Tat in Lebensgefahr.

Zunächst blieben wir vier Wochen in der Klinik, dann kamen wir in eine Rehaklinik für Essstörungen. Dort lernte Miri unter sehr schweren Bedingungen das Essen beigebracht. Es war ein unfassbar beängstigendes Gefühl, zu sehen, wie sich mein Kind unter jedem Bissen vor Schmerzen krümmte. Es dauerte über zwei Monate, bis diese Schmerzen nachließen.

Meinen Job habe ich, obwohl mein Chef sehr, sehr verständnisvoll reagierte und mich keine Nachteile in der Zeit spüren ließ, in der ich fehlte, an den Nagel gehängt. Dafür hat mein Mann nun noch einen Nebenjob. Und er studiert auch noch nebenberuflich, um mit einer besseren Qualifikation mehr verdienen zu können.

Miri geht es übrigens heute relativ gut. Sie hadert oft noch mit dem Essen, wenn sie psychisch belastet ist. Prüfungen sind zum Beispiel immer ein Albtraum für mich, da ich immer eine wahnsinnige Angst davor habe, dass sie nun in dem Alter, in dem Mädchen ja sehr schnell in eine Essstörung rutschen, rückfällig wird.

Es ist übrigens sehr befreiend, darüber zu sprechen. Bisher habe ich nur in der Verwandtschaft über die Krankheit von damals gesprochen. Vielleicht kann ich andere Eltern dafür sensibilisieren, ihrem Bauchgefühl im Bezug auf ihre Kinder zu vertrauen. Und sich massiv zur Wehr zu setzen, wenn Lehrer ihre Kompetenzen überschreiten.

Danke an Deva und Mira für den Platz hier!

J.

 

Beitragsfoto:  Oksana Mizina / shutterstock

 

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